Die Nominalformen des Verbs

Die Nominalformen des Verbs
§ 172. Zu den Nominalformen des Verbs gehören der Infinitiv und die beiden Partizipien: das Partizip I und das Partizip II. Sie heißen Nominaiformen, weil sie außer verbalen Eigenschaften auch nominale aufweisen. Sie verändern sich nicht nach Person und Zahl und werden daher auch (als Bestandteil einer Verbalform) verbum infinitum genannt.
Der Infinitiv
§ 173. Der Infinitiv (die Nennform des Verbs) ist eine der drei Grundformen des Verbs. Er nennt einen Vorgang ohne Angabe der handelnden Person und dient zur Bildung einiger Zeitformen (Futur, Konditionalis).
Man unterscheidet im Deutschen zwei Formen des Infinitivs: den Infinitiv I und den Infinitiv II . Der Infinitiv I wird vom Präsensstamm des Verbs und dem Suffix -(e)n gebildet: trag-en, lehr-en, sammel-n, feier-n. Das Suffix -n bekommen Verben mit den Suffixen -er, -el sowie Verben, die von Substantiven (seltener von anderen Wortarten) auf -er, -el abgeleitet sind: lächel-n, zöger-n, segel-n, feier-n, erwider-n.
Der Infinitiv II wird mit dem Partizip II des entsprechenden Verbs und dem Infinitiv I des Hilfsverbs haben bzw. sein gebildet: gesagt haben, gefahren sein. Die transitiven Verben weisen außerdem noch zwei passive Formen auf: den Infinitiv I Passiv und den Infinitiv II Passiv.
Der Infinitiv I Passiv wird mit dem Partizip II des Vollverbs und dem Infinitiv I des Hilfsverbs werden gebildet: gelesen werden, getragen werden. Der Infinitiv 11 Passiv wird mit dem Partizip II des Vollverbs und dem Infinitiv II des Hilfsverbs werden gebildet: gelesen worden sein, getragen worden sein.
§ 174. Die verbalen Eigenschaftendes Infinitivs. Als verbale Form hat der Infinitiv eine relative zeitliche Bedeutung: der Infinitiv I bezeichnet die Gleichzeitigkeit (in bezug auf den durch das Prädikat ausgedrückten Vorgang).
Die Majorin sprach weiter, ohne auf Marianne zu achten. (B. Uhse)
Der Infinitiv II bezeichnet die Vorzeitigkeit.
Er ist fast traurig, den neuen Bekannten so schnell wieder verloren zu haben. (W. Bredel)
Beim ersten Zusammentreffen mit den republikanischen Truppen des Konvents lief er mit seiner Sektion über, ohne auch nur einen Schuß abgefeuert zu haben. (W. Bredel)
Im Zusammenhang mit der Bedeutung der Vorzeitigkeit steht die Abgeschlossenheit der Handlung, die durch den Infinitiv II ausgedrückt wird.
„Ich bin wirklich glücklich, Sie zu Hause getroffen zu haben“, sagte Charlotte. (B. Kellermann)
Die obenerwähnten Eigenschaften und Funktionen des Infinitivs kennzeichnen ihn als eine verbale Form. Die verbalen Kategorien sind es auch, die für das System der Infinitive entscheidende Bedeutung haben. Die Zahl und die gegenseitigen Beziehungen der Infinitivformen zueinander werden durch die Wechselbeziehungen zweier Verbalkategorien bedingt: der relativen Zeit und des Genus.
§ 175. Nominale Eigenschaften weist von den vier Formen des Infinitivs vor allem der Infinitiv I Aktiv auf. Seiner Bedeutung nach steht der Infinitiv I den Substantiven nahe, die einen Vorgang bezeichnen, denn er nennt einen Prozeß bzw. Zustand ohne Hinweis auf Person und Zeit, vgl.: übersetzen (das Übersetzen) — die Übersetzung.
Der Infinitiv (sowie die Infinitivgruppe, d. h. ein Infinitiv mit näheren Bestimmungen) erfüllt im Satz die Funktionen, die vor allen Dingen dem Substantiv zukommen: diejenigen des Subjekts und des Objekts des Satzes.
Handeln ist leicht, denken schwer; nach dem Gedachten handeln unbequem. (J. W. Goethe)
Papke nahm es auf sich, alles Notwendige zu organisieren. (W. Bredel)
Ich war froh, mein Gewissen... beruhigen zu können... (J. R. Becher)
Auch die übrigen syntaktischen Funktionen des Infinitivs (die eines Attributs und einer Adverbialbestimmung) unterscheiden ihn von den persönlichen Formen des Verbs.
Der Wunsch, aufzustehen, wegzugehen, allein zu sein, kribbelte in ihm. (F. C. Weiskopf)
Aber eines Tages ging sie ins Dorf Sirup holen... (B. Brecht)
§ 176. Im Deutschen tritt das Gemeinsame zwischen Infinitiv und Substantiv auch in der großen Leichtigkeit zutage, mit der sich jeder Infinitiv substantivieren läßt: geben — das Geben, lesen — das Lesen, verstehen — das Verstehen usw. Der substantivierte Infinitiv ist sächlichen Geschlechts und wird meist mit dem Artikel gebraucht. Er kann dekliniert werden und läßt sich durch Attribute näher bestimmen.
Das Klopfen ist doch eine herrliche Endeckung... (W. Bredel)
Ich verstand zwar nicht die Worte, die er sprach, aber da er während des Sprechens beständig trommelte, so wußte ich doch, was er sagen wollte. (H. Heine)
Als aber zu seinem Erstaunen der Sanitätsrat eintrat, wich er unwillkürlich einen Schritt zurück. (B. Kellermann)
Aus dem Personenwagen hinter der Lokomotive drang grölendes Singen und Gelächter. (B. Kellermann)
Manche substantivierten Infinitive haben sich gänzlich vom entsprechenden Verb losgelöst und werden nicht mehr als Substantivierung empfunden: das Leben, Essen, Leiden, Vergnügen, Vermögen, Betragen, Verbrechen u. a. m. Einige von diesen Substantiven können auch im Plural gebraucht werden: die Vermögen, die Leiden, die Verbrechen.

Грамматика немецкого языка. 2-е издание. .

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